Neuer Umsatzsteuersatz

Wichtiger Hinweis für Baufirmen und Architekten

1. Welcher Mehrwertsteuersatz gilt grundsätzlich?

Für die Betriebe stellt sich jetzt die Frage, ob und wann nach altem oder neuem Mehrwertsteuersatz abgerechnet wird. Das hängt in erster Linie von dem Zeitpunkt ab, zu dem eine Leistung erbracht oder die Ware geliefert wird, entweder vor oder ab dem 1. Juli 2020.

Bei Warenlieferungen gilt der Zeitpunkt, ab dem der Kunde die Ware erhält. Auf Rechnungen, die ab Juli verschickt werden, muss nur der alte Steuersatz ausgewiesen werden, wenn die Leistung im Mai oder Juni erbracht wurde.

Bei Dienstleistungen hängt es davon ab, wann die Leistung erbracht wird.

Bei Werklieferungen ist das Datum der Abnahme entscheidend.

Entsprechendes gilt für Teilleistungen.

Wenn ein Kunde eine Dienstleistung bereits im ersten Halbjahr in Anspruch genommen hat und die Rechnung erst im zweiten Halbjahr kommt, dann gilt also noch der alte Steuersatz.

Bestehende Verträge (Mietverträge, Wartungsverträge etc.) sollten nun gegebenenfalls angepasst werden. Es kommt dabei darauf an, ob Brutto- oder Nettopreise vereinbart wurden.

Bei Fehlen einer gesonderten Vereinbarung über die Umsatzsteuer gilt für Werkverträge, dass sie im vereinbarten Preis enthalten sind.

Für die Höhe der auf das Nettohonorar aufzuschlagenden Umsatzsteuer ist regelmäßig der zu dem Zeitpunkt ihrer Entstehung geltende Steuersatz maßgeblich, also derzeit 19%.

Die Umsatzsteuer entsteht mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums (i.d.R ein Monat oder Quartal), in dem die Leistungen ausgeführt worden sind (§ 13 Abs.1 Nr.1a) UStG). Dieser Zeitpunkt ist maßgeblich für die Bestimmung des anzuwendenden Umsatzsteuersatzes.

Wann aber gilt eine Leistung im steuerlichen Sinne als ausgeführt?

Gemäß dem Anwendungserlass zur Umsatzsteuer (UStAE) werden Lieferungen, auch Werklieferungen, grundsätzlich dann ausgeführt, wenn der Leistungsempfänger die Verfügungsmacht über den zu liefernden Gegenstand erlangt.

Dienstleistungen der Baufirmen und Architekten, gelten dagegen grundsätzlich im Zeitpunkt ihrer Vollendung als ausgeführt (Abschnitt 13.1 Abs.3 UStAE). Nach diesem Zeitpunkt richtet sich für Baufirmen und Architekten dann also die Bestimmung des anzuwendenden Umsatzsteuersatzes.

2. Wann ist der Zeitpunkt der Beendigung der Bau- und Architektenleistung?

Der Zeitpunkt der Beendigung der erbrachten Leistung hängt (s.o.) von der Leistung und von der Art des zugrundeliegenden Vertrags ab.

Für Leistungen von z.B. Architekten, denen die Leistungsbilder der HOAI zugrunde gelegt werden, geht die Finanzverwaltung davon aus, dass diese grundsätzlich als einheitliche Leistung erbracht werden, „auch wenn die Gesamtleistung nach der Beschreibung in der HOAI, insbesondere durch die Aufgliederung der Leistungsbilder in Leistungsphasen, teilbar ist“ (Abschnitt 13.3 Abs.1 UStAE).

Damit ist klargestellt, dass bei Leistungen der Architekten nach HOAI nicht ohne weiteres von teilbaren Leistungen, etwa in Bezug auf die einzelnen Leistungsphasen, ausgegangen werden kann. Vielmehr unterstellt die Finanzverwaltung im Grundsatz die wirtschaftliche Einheit dieser Arbeiten. Damit endet im Regelfall auch die Architektenleistung erst mit Vollendung der gesamten Leistung. Zum Sonderfall der Teilleistungen: s.u.

Entsprechendes gilt daneben auch für Leistungen der Architekten und Ingenieure, die nicht nach HOAI erbracht werden. Lediglich für nach Maßgabe der RBBau erbrachte Leistungen sind in Abschnitt 13.3 Abs.3 UStAE Sonderregelungen festgelegt.

3. Ist nicht das Rechnungsdatum maßgeblich für die Anwendung des jeweiligen Mehrwertsteuersatzes?

Maßgeblich für den Zeitpunkt des Umsatzsteuersatzes ist wie oben beschrieben die tatsächliche Beendigung der Leistung.

Der Zeitpunkt der Rechnungsstellung ist nicht maßgeblich und irrelevant für die Umsatzsteuer. Ebenso unmaßgeblich ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses.

Dem Zeitpunkt der Vereinnahmung des Entgelts kommt für die Bestimmung des maßgebenden Steuersatzes ebenfalls keine Bedeutung zu. Auch bei der sog. Ist-Versteuerung für bestimmte Freiberufler (§ 20 UStG) und bei der Versteuerung von Anzahlungen (§ 13 Abs.1 Nr.1a S.4 UStG) kommt es alleine darauf an, wann der Umsatz bewirkt, also tatsächlich ausgeführt wird.

4. Welcher Umsatzsteuersatz ist bei Abschlagsrechnungen anzusetzen? Hat eine Änderung Auswirkungen bei Abschlagszahlungen?

Es können Abschlagszahlungen zu den schriftlich vereinbarten Zeitpunkten oder in angemessenen zeitlichen Abständen für nachgewiesene Grundleistungen gefordert werden.

Abschlagszahlungen unterliegen der Umsatzsteuerpflicht. Die Abschlagszahlung, die zur Zeit der Geltung des bisherigen Steuersatzes getätigt wird, löst den bisherigen Steuersatz aus, doch gilt dies nur vorläufig. Kommt es also zur Vollendung der Leistung, wird der gesamte Umsatz mit dem neuen Steuersatz besteuert.

Beispiel bei einer Mehrwertsteuersatzsenkung zum 1.7.2020 auf 16%:

// Die Abschlagsrechnung vom 30.6.2020 hat den Umsatzsteuersatz von 19 %; die Schlussrechnung vom 16.7.2020 hat den Umsatzsteuersatz von 16%. Die bereits angemeldete Umsatzsteuer für die Abschlagszahlung ist nachträglich zu berichtigen.

5. Welcher Umsatzsteuersatz gilt grundsätzlich, wenn sich der Umsatzsteuersatz während des Auftrags ändert?

Ändert sich während der Leistungserbringung der Mehrwertsteuersatz, hat der Unternehmer ungeachtet einer vorherigen vertraglichen Bezifferung des Mehrwertsteuerteils einen Anspruch auf die Umsatzsteuer, die sich zum Zeitpunkt der Vollendung seiner Leistungen unter Berücksichtigung des dann geltenden Umsatzsteuersatzes ergibt. Dies betrifft den gesamten Schlussrechnungsbetrag, auch wenn zuvor bereits Abschlagszahlungen mit einem anderen Umsatzsteuersatz abgerechnet worden sind. Etwas Anderes kann bei der Vereinbarung von Teilleistungen gelten (s.u.).

Beispiel bei einer Mehrwertsteuersenkung zum 1.7.2020 auf 16%:

// Wenn die Schlussrechnung eines Auftrags aus dem Jahr 2018, der auch erst im Juli 2020 vollendet wird, und für den es schon zahlreiche Abschlagszahlungen gab, am 3.7.2020 gestellt wird, gilt für die erbrachte Leistung der Umsatzsteuersatz von 16%.

In diesem Fall werden nachträglich auch die zuvor mit 19% per Abschlag abgerechneten Leistungsanteile in der Schlussrechnung mit 16% angesetzt; insofern kommt es hier zu einer Verminderung des Zahlbetrags.

Sofern allerdings die Leistung bereits im Juni 2020 als ausgeführt und damit als vollständig erbracht gilt, und nunmehr die Rechnungsstellung nach dem 1.7.2020 erfolgt, richtet sich der Umsatzsteuersatz ebenfalls nach dem Zeitpunkt der Vollendung der erbrachten Leistung, d.h. in der Schlussrechnung wären 19% anzusetzen.

Im umgekehrten Fall (Abschlagsrechnungen mit 16% von Juli bis Dezember 2020, Schlussrechnung mit Vollendung der Leistung im Februar 2021) kann sich mit der Schlussrechnung (19%) eine Nachzahlung aufgrund der vorher „zu niedrig“ abgeführten Umsatzsteuerbeträge ergeben.

Aus dieser rechtlichen Regelung heraus können sich Gestaltungsmöglichkeiten ergeben, etwa hinsichtlich des Zeitpunkts der Vollendung ihres jeweiligen Auftrags. Allerdings haften der Rechnungssteller auch gegenüber dem Finanzamt für die angesetzte Umsatzsteuer: Kommt das Finanzamt zu der Feststellung, dass die Leistungserbringung in den Zeitraum der 19%igen Umsatzsteuer fällt, muss die Differenz durch den Rechnungsersteller getragen werden. //

6. Von welchem Steuersatz ist auszugehen, wenn ein Pauschalhonorar vereinbart wurde? Welche Auswirkungen hat eine Mehrwertsteueränderung?

Wenn ein Pauschalhonorar vereinbart wurde, bedeutet dies nicht, dass damit geklärt ist, ob es sich um ein Brutto- oder Netto-Pauschalhonorar handelt. Die überwiegende herrschende Meinung ist der Auffassung, die Vereinbarung einer Pauschale ohne Umsatzsteueraussage habe ein Bruttohonorar zum Gegenstand.

Um Rechtsunsicherheiten zu vermeiden, sollte ausdrücklich schriftlich vorgesehen werden, dass die gesetzliche Umsatzsteuer zusätzlich anfällt. Es empfiehlt sich daher nach Möglichkeit die Angabe von Netto-Preisen mit der Formulierung „zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer“ oder „Das Nettoentgelt erhöht sich um die im Zeitpunkt der Leistung gesetzlich geschuldete Umsatzsteuer“. In diesen Fällen sollte die Durchsetzung des höheren Umsatzsteuersatzes gegenüber dem Kunden problemlos sein.

Wurde stattdessen ein Brutto-Pauschalhonorar ohne Umsatzsteuer-Klausel vereinbart oder wird zumindest der Vertrag so ausgelegt, könnte der dort vereinbarte Umsatzsteuersatz zu Lasten des Unternehmers gelten.

Beispiel bei einer Mehrwertsteuererhöhung zum 1.1.2021 auf 19%:

// Wurde am 1.7.2020 ein Brutto-Pauschalhonorar (mit dem zu diesem Zeitpunkt gültigen Umsatzsteuersatz von 16%) vereinbart, dann gilt dieses Pauschalhonorar auch, wenn die Schlussrechnung am 1.1.2021 gestellt wird. Der Unternehmer muss dann von seinem Honorar die Differenz der erhöhten Mehrwertsteuer ableisten. Von der Vereinbarung von Brutto-Pauschalhonoraren ist daher abzuraten. //

7. Welcher Steuersatz ist bei Teilleistungen anzusetzen?

Baufirmen und Architekten können mit Bauherren auch Teilleistungen vereinbaren.

Nach Auffassung der Finanzverwaltung sind Teilleistungen wirtschaftlich abgrenzbare Teile einheitlicher Leistungen, die gesondert bewirkt werden und für die das Entgelt gesondert vereinbart und statt der einheitlichen Gesamtleistung geschuldet wird. Wichtig dabei: die Leistungen müssen nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise auch tatsächlich teilbar sein, eine willkürliche Trennung reicht nicht aus. Nach den Richtlinien der Finanzverwaltung liegen Teilleistungen im Allgemeinen unter den genannten Voraussetzungen nur vor, wenn für einzelne Leistungsteile gesonderte Entgeltabrechnungen erfolgen (Abschnitt 13.4 UStAE).

Hier ist darauf hinzuweisen, dass grundsätzlich auch bei einer vertraglichen Vereinbarung der Übernahme verschiedener Leistungsphasen von einer einheitlichen Leistung ausgegangen wird. Es handelt sich also nicht um eine Teilleistung, nur weil verschiedene Leistungsphasen vereinbart wurden.

Eine Ausnahme davon liegt aber dann vor, wenn Baufirmen oder Architekt und Bauherr im Rahmen eines Gesamtauftrags zusätzliche Vereinbarungen über die gesonderte Ausführung und Honorierung einzelner Leistungsphasen explizit treffen. Dies kann zur Teilleistung führen. Die jeweilige Teilleistung muss gesondert geschuldet und abgerechnet werden. Dies setzt regelmäßig auch eine die Gewährleistungsfristen auslösende rechtsverbindliche Abnahme der abzurechnenden Teilleistungen voraus. Insoweit dürften auch dann nicht alle Leistungsphasen als selbstständige Teilleistungen anzusehen sein.

Beispiel bei einer Erhöhung des Umsatzsteuersatzes zum 1.1.2021 auf 19%:

// Die Vereinbarung von Teilleistungen führt dazu, dass diese Teilleistungen vom 1.7. bis zum 31.12.2020 mit 16% abgerechnet werden können. //

Konkret bedeutet dies, dass die Parteien hinsichtlich der jeweiligen Leistungsphasen eine zusätzliche Vereinbarung über die gesonderte Honorierung zu treffen haben. Geschieht das nicht, bleibt es in der Regel dabei, dass die in dem Auftrag zusammengefassten Leistungen auch im steuerrechtlichen Sinne eine Einheit bilden. Das vorherige Stellen von Abschlagsrechnungen ändert nichts an diesem Ergebnis.

Vorschlag für eine Vereinbarung (nach Stemmler, IBR 2006, 598):

  1. Die von der Baufirma oder Architekten zu erbringende Leistung (z. B. Leistungsphasen 1 – 4) ist als selbstständiger Teil der gesamten Vertragsleistung bis zum 31.12.2020 zu beenden und abzunehmen. 
  2. Hierfür wird ein Entgelt von (z. B. Mindestsatz der Leistungsphasen) vereinbart.
  3. Sollte die getroffene Vereinbarung im Besteuerungsverfahren nicht anerkannt werden, wird dem Auftragnehmer auf Antrag ein Ausgleich nach den Grundsätzen des § 29 Abs. 2 UStG gewährt.
    Datum/Unterschriften

8. Muss ich bei neu abzuschließenden Verträgen eine besondere Klausel aufnehmen, um die Änderungen bzw. vor allem auch die Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz abzufedern?

Eine besondere Klausel ist nicht aufzunehmen; die Anpassung der Umsatzsteuersätze wirkt nach den dargestellten gesetzlichen und behördlichen Vorgaben „in beide Richtungen“.

9. Der Bauherr wird aus steuerlichen Gründen Wert darauf legen, Bauleistungen möglichst noch bis zum 31.12.2020 abzunehmen. Bin ich daher verpflichtet, auf entsprechende Beschleunigung hinzuwirken? Was, wenn eine aus meiner Sicht noch nicht abnahmereife Leistungen zwecks Steuerersparnis vorschnell abgenommen werden soll?

Es gilt die grundsätzliche, das Bauvorhaben nach Kräften zu fördern und den Bauherrn vor Nachteilen zu bewahren. Soweit eine Beschleunigung im Einzelfall erreicht werden kann, ohne die Qualität der Bauausführung zu gefährden oder vom Bauherrn nicht akzeptierte Zusatzkosten auszulösen, ist daher ganz unabhängig von steuerlichen Aspekten entsprechend zu verfahren.

Die Abnahmeempfehlung des Architekten, die als Grundleistung in LPH 8 geschuldet wird, hat sich ausschließlich an fachlich-technischen Kriterien auszurichten. Will der Bauherr aus steuerlichen Erwägungen die Abnahme erklären, obwohl das Werk nicht vollendet oder mit wesentlichen, der Abnahme entgegenstehenden Mängeln behaftet ist, so wird der Planer von einem solchen Vorgehen abraten müssen und sollte dies auch hinlänglich dokumentieren. Erklärt der Bauherr ungeachtet dessen die Abnahme, so geschieht dies auf eigenes Risiko.

Keinesfalls darf im Übrigen eine Beihilfe zu einer ggf. missbräuchlichen Gestaltung der steuerrelevanten Sachverhalte erfolgen. Der Bauherr hat sich hierzu ggf. selbst rechtlichen und insbesondere steuerrechtlichen Rat einzuholen.

10. Bin ich verpflichtet, im Rahmen der Rechnungsprüfung auf den richtigen Steuersatz zu achten?

Hat ein anderer Unternehmer für Leistung einen höheren Steuerbetrag, als er nach den geltenden Vorschriften für den Umsatz schuldet, gesondert ausgewiesen, schuldet er auch den Mehrbetrag. Um diesen Fall des unrichtigen Steuerausweises zu vermeiden, ist jetzt besondere Sorgfalt erforderlich. Es sollte im Rahmen der Rechnungsprüfung zumindest kontrolliert werden, ob der ausgewiesene Steuersatz angesichts des Zeitpunkts der Leistungserbringung (siehe Frage 1) plausibel ist. Der Architekt schuldet aber keine Steuerberatung und sollte seinem Bauherrn daher in Zweifelsfällen empfehlen, den Rat eines Steuerberaters oder Rechtsanwalts einzuholen.

11. Welche Mehrwertsteuer fällt bei einer Kündigung an?

Im Falle einer freien Kündigung durch die Bauherren (§ 648 BGB) kann der Unternehmer neben den erbrachten Leistungen auch die noch nicht erbrachten Leistungen grundsätzlich abrechnen.

Hinsichtlich der restlichen Vergütung abzüglich der ersparten Aufwendungen und des anderweitigen Erwerbs hat der Unternehmer keinen Anspruch auf Erstattung der Umsatzsteuer. Mangels Leistungsaustauschs liegt insoweit kein steuerbarer Umsatz vor.